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Multifunktionale Publishingsysteme

Am 5. und 6. Mai fand der erste Fachkongress "Der Trend zu multifunktionalen Publishing-Systemen" in Heidelberg statt. Die gebotene Gelegenheit, mich zwei Tage mit "Gleichgesinnten" auszutauschen, nahm ich dankbar wahr. Zumindest war das mein Plan. 

Denn die Veranstaltung des f:mp in Zusammenarbeit mit Dr. Koetter hätte nach meinem Geschmack deutlich "visionärer" ausfallen können; so war es in weiten Teilen eine etwas strukturlos wirkende Ansammlung von Erklärungsversuchen, welche Relevanz Begriffe wie PIM, MRM etc. in den letzten Jahren entwickelt haben. Die anwesenden Software-Anbieter versuchten das — so zurückhaltend wie möglich — im Rahmen von Produkt- und Nutzendemos zu erklären. 

Insgesamt nehme ich folgende Punkte aus der Veranstaltung mit:

  • Dienstleister müssen immer mehr und immer komplexere Kanäle bedienen (Webanwendungen, Mobile)
  • Das Nutzerprofil ändert sich nachhaltig und erfordert höchste Aufmerksamkeit ("Social Media")
  • Perfekt funktionierende Umsetzung von allen erdenklichen Print-Thematiken wird in den Systemen vorausgesetzt (!!)

Über fast alle Vorträge hinweg herrschte eine sehr industrielle, Großkunden-orientierte Sichtweise auf das Kernthema "systembasierte Marketingunterstützung". Ob diese Ausrichtung für die Zukunft ein ausreichend großes Betätigungsfeld für dutzende Anbieter hochkomplexer (= teurer) Systeme bietet, wage ich zu bezweifeln. 

Im Umfeld dieses Kongresses waren aus meiner Sicht folgende Beiträge herausragend, die ich kurz kommentiere: 

Publishing-Systeme im Wandel – Herausforderungen und Trends

Gehalten von Prof. Dr. Kretzschmar (HDM)

Ein einleitender und — auch bezogen auf die folgenden zwei Tage — herausragender Beitrag, der eindringlich versuchte dem Auditorium zu vermitteln, für wen, für welche User, für welche künftigen User, diese Systeme eigentlich bereitgestellt werden. Leider fürchte ich, dass den Anwesenden, im Taumel des Tagesgeschäfts, die Relevanz dieses veränderten Nutzertypus und -verhaltens nicht sehr bewusst ist. 

Software und Prozesse – Wunsch oder Wirklichkeit?

Gehalten von Albrecht Heidinger (Leiter Consulting bei Star Publishing)

Herr Heidinger hat einige klassische Risikofaktoren bei der Einführung von Publishingsystemen herausgearbeitet, die ich teile. Denn auch ich halte die technischen Thematiken meist für steuerbar — hier geht es primär um Fleiß –; kritisch sind eher die "weichen Faktoren": sprich, die beteiligten Personen in Ihren unterschiedlichen Interessenlagen. Das sind Personalführungsthemen, die nicht von technischen Thematiken losgelöst betrachtet werden dürfen. 

Enterprise Marketing Management

Gehalten von Patricia Kastner (CEO ContentServ)

Neben einem massiven Schwerpunkt auf technischen Aspekten legte Frau Kastner Wert darauf, zu vermitteln, dass die Einführung von Marketing-Systemen auch den verschiedenen Anwendertypen Rechnung tragen muss. Und zwar insbesondere im Hinblick auf Usability-Thematiken (Rollen, GUI). Dieser Punkt spielt meines Erachtens viel zu selten die notwendige, bedeutsame und mit Ressourcen ausgestattete Rolle. 

Optimale Vertriebs- und Händlerunterstützung

Gehalten von Steffen Lobejäger (Geschäftsführer Konmedia Consulting)

Herr Lobejäger betonte einleitend etwas, was nicht oft genug wiederholt werden kann: Was braucht der Kunde? Diese Fragestellung gilt es, bei jedem Change-Prozess projektbegleitend immer wieder zu stellen — und die Umsetzung kontinuierlich anzupassen!

Mit Single Source zum Multi Platform Publishing

Gehalten von Ingo Eichel (Business Development Manager Adobe Systems)

Aus diesem Beitrag habe ich mitgenommen, dass Adobe nun sein Geschäftsmodell rund um die Veröffentlichung von Publikationen im Rahmen von App Stores über die Digital Publishing Suite fertiggestellt hat. Gezuckert wurde dieses, für Nutzer kostenintensive, Modell durch neue Tracking-Angebote zur Erhebung von Informationen über Nutzung und Wirkung der über die DPS erzeugten Publikationen. Aus Gründen des Datenschutzes halte ich das Angebot allerdings für fragwürdig; hier gibt es sicherlich Klärungsbedarf, ob das in der vorgelegten Form tatsächlich in Deutschland problemlos von Anbietern genutzt werden kann, ohne sich in eine rechtliche Grauzone zu begeben. 

Harmonisierung von Bild- und Produktdaten in mittelständischen Unternehmen

Gehalten von Norbert Bender (Produktmarketing C+P Möbelsysteme)

Ein überaus interessanter Einblick in die Praxis: Wie werden Thematiken rund um die Einführung von Marketing-Systemen in mittelständischen Unternehmen tatsächlich im Alltag auf Seiten des Industriekunden abgewickelt? Welche Strukturen finden Dienstleister vor? Wo liegen die Punkte, an denen systemkritischer Support geleistet werden muss? Eine wichtige Perspektive, die dem Auditorium hoffentlich hinreichend deutlich gemacht hat, dass die Unterstützung des Projektteams auf Kundenseite mehr als nebenwertiges "Kundenbauchpinseln" ist. Und ganz nebenbei löste Herr Bender sich auch deutlich von der stets zu flachen Vortragsebene "PowerPoint" und gestaltete seinen Vortrag inhaltsstark und kurzweilig.

Strukturierte & automatisierte Publikation mit gestalterischem Freiraum

Gehalten von Armin Dressler (Verwaltungsrat der InBetween Holding)

Hier ist — neben vielen technischen Aspekten, die überaus interessant waren — aus meiner Sicht vor allem wichtig, dass Herr Dressler deutlich darauf hinwies, wie wichtig es ist, den Anwender zielgenau mit für ihn relevanten Arbeitserleichterungen zu versehen. Jeglicher Wechsel von Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten an andere Positionen muss wohlüberlegt sein und kann nur zum Erfolg führen, wenn den Anwendern deutlich der Nutzen für die Gesamtheit vermittelt werden kann. Ein technisch fundierter Vortrag, der, ohne langweilig zu werden, stets den Endanwender im Blick hatte.

Die Zukunft kommt nur zu dem, der an sie glaubt

Gehalten von Wolfgang Wichert (Geschäftsführer eggheads CMS)

Auch Herr Wichert lag in angenehmer Weise auf meiner Wellenlänge und arbeitete deutlich Punkte heraus, wie: "Jeder Anwender arbeitet mit dem Interface, das aus Prozess- und Ergonomie-Aspekten bedienbar ist." Dafür hatte er reichlich Beispiele im Gepäck, die hoffentlich ihre erweckende Wirkung nicht verfehlt haben. Was mir auch gut gefallen hat: der klare Hinweis, dass Abrechnungsmodelle von Lösungsanbietern künftig tunlichst transaktionsbasiert sein sollten — alles andere sei nicht zeitgemäß. Denn das zeige, dass man als Lösungsanbieter an die eigene Lösung glaube — und bereit sei, mit ins kaufmännische Risiko einzusteigen. Ich ergänze einmal, dass das auch für den Lösungsanbieter die Möglichkeit eröffnet, Vorgaben über die weitere Nutzung des Systems über den eigentlichen "Liefertermin" hinaus zu machen. Kurz: mehr Intelligenz und Beteiligung auf Seiten der Dienstleister!

Fazit

Insgesamt war es ein interessanter, zukunftsorientierter Kongress, der Spaß auf mehr macht. Wünschenswert wäre ein deutlicher Schritt weg von der Produktpräsentation, hin zu visionär geprägten Hilfestellungen für die Besucher des Kongresses. Ich bin zuversichtlich, dass das klappt. 

Da mir im Rahmen der Veranstaltung der Anwendertypus, der stark von "Social Media"-Einflüssen geprägt ist, zu kurz kam, werde ich in meinem nächsten Blogbeitrag deutlich herausarbeiten, welcher Umbruch da seit wenigen Jahren im Gange ist. Und warum Lösungsanbieter gut daran tun, die Einflüsse, die auf diesen User wirken, genau zu beobachten und für ihren Bereich tätig zu werden.