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Messen, steuern, regeln … Pantone+

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Soviel vorab: Pantone ist auf einem guten, interessanten Weg und versucht, das in der Vergangenheit angerichtete Chaos ein wenig zu bereinigen – verstärkt es aber leider auf organisatorischer Ebene wieder.

Wenn Sie einschätzen möchten, ob Sie das hier alles lesen müssen, können Sie auch schnell zu den Bulletpoints am Ende springen: Was bleibt zu tun?

Gehen wir ins Detail:

Schlecht:

Pantone macht das System aus meiner Sicht nahezu unbenutzbar, weil die Farben nicht mehr numerisch aufsteigend im Fächer hinterlegt sind. Man hat sich entschieden, den Designern „entgegenzukommen“ und mit dieser Begründung farblich „Passendes“ im Fächer gruppiert. Wer also wie bisher nach Farbnummern sucht, wird innerhalb von Sekunden restlos verzweifeln.

Rettungsansatz à la Pantone: am Ende des Fächers ist ein Index zu finden, der die neue Verortung der Farben im Fächer ermöglicht. Brüller!

Hier hätte man vielleicht lieber zunächst über eine tragfähige Neustrukturierung der Benamung nachgedacht. Zumal es noch andere Gründe gibt, das aktuelle System deutlicher vom alten abzugrenzen. Wie ich das meine, wird später noch deutlich werden …

Im Internet klagen Anwender immer wieder darüber, dass aus den „Coated“ und „Uncoated“ Fächern vermeintlich Farben verschwunden sind. Faktisch stimmt das; denn es gibt neue „Pastels“ und „Metallics“ Fächer – dort sollten Sie nachschauen. Wenn Sie ein Fächerpaket suchen, das die im Jahr 2012 aktuellen Basics abdeckt, werden Sie bei Grafipress fündig – dem Paket liegt dann auch der neue 366er Fächer bei.

Ganz übel finde ich übrigens das Material, auf dem die Fächer produziert sind: gefühlt ist das ein 80g Papier, das schon verknickert wenn man es aus zwei Metern Entfernung anschaut. Diese Fächer sind ein Arbeitsmittel! Wie kann man nur ein derart instabiles Material dafür verwenden?

Gut:

Mit jeder Iteration der Fächer stabilisieren sich die technischen Produktionsbedingungen sowie Umfang und Inhalt der Fächer. Im dritten Quartal 2012 soll angeblich eine neue Fächerproduktion anlaufen, welche dann alles beinhaltet, was aktuell noch auf verschiedene Fächer verteilt ist.

Mit dieser Aussage ziele ich insbesondere auf den aktuell gelieferten „Zusatzfächer“ mit der griffigen Bezeichnung 336 ab, den Pantone (oder eher: Grafipress?) seinen Fächerpaketen beilegt: Perspektivisch wird Pantone+ offenbar das Kernsystem sein; GOE soll offenkundig verschwinden. Und genau aus diesem Portfolio stammen die zitierten 366 Farben aus dem zusätzlichen Fächer.

Aus produktiver Sicht wichtig und eine mehr als begrüßenswerte Veränderung: die Fächer werden heute endlich mit einheitlicher Schichtdicke gedruckt. Und die Messung findet an allen Produktionsstätten von Pantone mit untereinander abgestimmten Messgeräten statt (nach X-Rites XRGA-Standard – siehe „Messen!“).

Das bedeutet aber auch: alle Fächer, auf denen nicht Pantone+ steht, sollten direkt in die Tonne wandern; denn das alte „Pantone Solid Coated“ und „Pantone Solid Uncoated“ sind Geschichte.

Sie haben akuten Handlungsbedarf!

Wie man mit dieser Situation – insbesondere im Hinblick auf die Kundenkommunikation – umgeht, müssen Sie zum Gegenstand ausgiebiger Begutachtungen machen – und Ihre Kunden beratend an die Hand nehmen.

Fakt ist, dass gut 25% der Pantone-Farben, „alt“ vs. „neu“, Farbabweichungen von bis zu Delta E 17 (!) bei gleicher Bezeichnung haben. „Aussitzen“ ist also keine Option … dazu später ein kleines Praxisbeispiel.

Messen!

Was das Messen angeht, versucht das Gespann X-Rite/Pantone eine einheitliche Basis für die Kalibrierung von „Weiß“ zu definieren. Da das furchtbar viele Auswirkungen auf die Farbwiedergabe, Qualitätskontrolle und alle damit in Beziehung stehenden Themen hat, müssen wir an dieser Stelle wach sein. Offenbar orientieren sich verschiedene Industrien – und hier geht es nicht nur um Print! – stark an diesen Vorgaben und erste Veränderungen werden spürbar:

Neue X-Rite Messgeräte messen nach dem sog. XRGA-Standard, der ein anderes Weiß heranzieht als bisherige Geräte. Aber auch die Röhren für die Normlicht-Kabinen werden bereits verändert; was aktuell ausgeliefert wird, habe bereits einen deutlich höheren UV-Anteil, hört man. Was beispielsweise ein „Anschlagen“ von Metamerie-Teststreifen zur Folge haben könnte – obwohl die Röhren gerade erneuert wurden.

Da auch die ISO offenbar in diese Richtung marschiert, haben wir es hier mit bedeutenden Veränderungen zu tun: die Basisdaten zur Beurteilung von Farben unter Normlicht und bei spektraler Messung verändert sich gerade. Das ist, keine Frage, ein Thema höchster Wichtigkeit; wenn wir nämlich versuchen, nach alter Technik etwas zu Vermessen oder zu beurteilen, was nach neuer Technik erzeugt wurde, werden wir scheitern – und marschieren festen Schrittes ins Land der absehbaren Reklamationen.

Noch ein Wort zu Messgeräten: X-Rite kalibriert Neugeräte seit 2010 auf den neuen Weißstandard XRGA. Altgeräte können im Rahmen des Service umgestellt/umgerüstet werden. Das passiert nicht automatisch und nur auf explizite Anforderung! Entsprechend veränderte Geräte werden mit einem XRGA-Sticker gekennzeichnet. Eine interessante, wenn auch ältere Diskussion dazu habe ich in einem US-Forum gefunden.

Wichtig zu wissen: in Messreihen wurden Delta E-Werte im Bereich von 0,6 bis an 1,0 heran für die unterschiedlichen Weißmessungen ermittelt – nachdem die Geräte auf XRGA kalibriert wurden. Zuvor (siehe Pantone-Whitepaper) konnte das Delta E – nur für den Weißpunkt! – bis an den Wert 3 heranreichen. Auch hier gilt also, dass Sie das Thema aktiv angehen müssen.

Fächertanz in der Praxis

Um ein Gefühl für die Situation zu bekommen, habe ich das für Pantone(+) Solid Coated 287 beispielhaft durchgespielt. Denn bei dem gesamten Problemfeld wirken, neben den veränderten Pantone-Rezepturen, zusätzlich auch noch Software-Thematiken. Machen Sie sich auf ein kleines Feuerwerk gefasst:

Zuerst habe ich geprüft, wie Pantone 287 C jeweils in InDesign CS 5.5 und in CS 6 angelegt ist. Denn Sie müssen wissen: InDesign CS 6 enthält ausschließlich Pantone+ Farbtabellen! CS 5.5 kommt noch mit den alten pluslosen Tabellen. In einem Layoutdokument kann der Datenerzeuger nur ein P287C anlegen – Plus ersetzt also die alten Farben. Eine Koexistenz ist nicht vorgesehen. Das lässt sich leicht ausprobieren, indem man die Farbtabellen der einen Software der jeweils anderen verfügbar macht. Immerhin funktioniert das leidlich.

Werden die Farbtabellen von InDesign CS 5.5 genutzt, legt dieses eine Sonderfarbe an, die auf CMYK-Werten basiert. In den Tabellen selbst scheint aber eine LAB-Basis hinterlegt zu sein. Im Fall von P287 wird – für ISO Coated v2 – 100 / 68 / 0 / 12 erzeugt. Oder, von CMYK ausgehend (!), in LAB gesprochen: 30 / 1 / –48.

InDesign CS 6 hingegen legt P+287C direkt auf Basis von LAB-Werten an: 21 / 13 / –56. Oder in CMYK gesprochen: 100 / 83 / 1 / 6.

Simulation bei Nutzung des Standardverhaltens von InDesign
So sieht es aus, wenn man die Standardeinstellungen von InDesign CS5.5 und CS6 nutzt und in einem Dokument gegenüberstellt. Gruselig.

Ja, das sind sehr unterschiedliche Farben. Aber ist das auch praxisrelevant?

Wenn man bei der Anlage der Sonderfarben versucht, sich „medienneutral“ zu verhalten – also noch im Farbfelddialog auf den Farbmodus LAB wechselt und nicht die Programmvorgabe durchschleift – ist der Unterschied zwischen beiden LAB-Werten deutlich geringer: 21 / 13 / –56 vs 21,5 / 11 / –59. Bei diesem Vorgehen ist die simulierte Bildschirmdarstellung deutlich treffender als die auf Basis der „echten“ Pantone-Werte. Es wirkt so, als könnte das Farbmanagement von Adobe InDesign besser mit den „echten“ LAB-Werten umgehen als mit dem, was hinter den Pantone-Farben in den Tiefen der Software definiert ist.

Simulation auf Basis der LAB-Werte hinter den Pantone-Farben
Wenn man InDesign die Chance gibt, auf Basis der hinterlegten LAB-Werte zu simulieren, ist es schon nicht mehr so dramatisch – und wirkt deutlich realistischer.

Prooft man das anschließend, wird zwar ein visueller Unterschied deutlich; der ist aber bei Weitem nicht so ausgeprägt wie es die zuerst genannten CMYK-Umsetzungen erwarten lassen. Durch die Nutzung der LAB-Werte lässt sich also das visuelle Risiko aus Sicht des auftragsspendenden Kunden deutlich reduzieren:

Foto Fächer alt und neu vs. Proof der LAB-Simulation
Hier werden die alten und neuen Fächer der LAB-Simulation der Pantone-Farben alt und neu gegenüberstellt. Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.

Was das Foto kaum einfangen kann: kein Blau gleicht dem anderen. Immerhin stimmt die Richtung des Blautons; das alte P287C von CS 5.5 ist von der Farbstimmung her korrekt vom GMG-RIP umgesetzt; das gleiche gilt für das P+287C von CS 6. Aber man sollte nicht den Fehler machen, die geprooften Farben zur tatsächlichen Beurteilung des Druckergebnisses heranzuziehen; wir haben es hier wirklich nur mit einer Näherung zu tun.

Auf dem Foto ist auch eine wichtige Veränderung beim Pantone+ Fächer gegenüber den alten Fächern zu sehen: bei Pantone+ wird kein Rezept mehr aufgeführt, sondern ein prozentuales Mischverhältnis. Vielleicht findet sich ja hier jemand, der mir erklären kann, warum das geändert wurde.

Was bleibt zu tun?

Folgende Rahmenbedingungen ändern sich:

  • Rezepte der Pantone-Farben
  • Farben im Fächer mit einheitlicher Schichtdicke gedruckt – und
  • Druck wurde mit vereinheitlichten Messgeräten geprüft – dabei greift ein
  • Anderer Weißpunkt der Messgeräte
  • Höherer UV-Anteil im Normlicht kommt – weil:
  • Die ISO arbeitet an neuen Standards zur Farbmessung!
  • InDesign CS6 enthält ausschließlich Pantone+ Farbdefinitionen

Was Sie tun müssen:

  • Prüfen, ob bei den Pantone-Farben, die Ihre Kunden einsetzen, problematische Abweichung alt gegen neu bestehen
  • Prüfen, ob Ihr Normlicht in Ordnung ist
  • Entscheiden, wie Sie mit dem Versuch von X-Rite, einen anderen Weißpunkt der Meßgeräte als Standard zu etablieren, umgehen möchten
  • Im Auge behalten, in welche Detailentscheidungen die ISO mit ihren künftigen Meßmethoden geht. Das hat PSO-Relevanz!
  • Ihre Kunden über die neue Situation aufklären!
  • Pantone+ Fächer kaufen und die alten nur noch zu Referenzzwecken nutzen!

Bitte beachten:

ich habe das hier nur für einen speziellen Pantone-Farbton durchgespielt. Die, oder besser: Ihre Ergebnisse mögen bei anderen Tönen komplett anders ausfallen. Bitte beschäftigen Sie sich damit!

Eine Information hilft vielleicht dabei, den Standpunkt von Pantone besser zu verstehen:

Pantone betrachtet sich selbst als designorientierten Farblieferanten. „Print“ ist dabei nur einer von mehreren Ausgabekanälen. Pantone stellt sich an die Seite der Designer und möchte den kreativen Prozess unterstützen; weniger den produktiven. Dass sie dort immer wieder auf Widerstände stoßen, scheint letztlich immerhin dazu geführt zu haben, dass sie sich verstärkt um die Reproduzierbarkeit im Druck zu kümmern – sicherlich auch befeuert dadurch, dass sie von X-Rite übernommen wurden. Und das ist, aus unserer Sicht, erst einmal hilfreich.

Und sonst so?

Im Auge behalten sollte man die neue Dienstleistung namens „PantoneLive“; hier hat man es mit einem „Cloud“-Angebot zu tun, mit dem die Markenführung im Hinblick auf eine konsistente Farbwelt unterstützt werden soll. Dazu legt man einen Pool von Farbreferenzen an, die auf verschiedenen Kanälen und Medien als Beurteilungsbasis genutzt werden können. Lizensierte Teilnehmer können dann im Anschluss Farbpaletten des Kunden von Pantone für die Verwendung in Illustrator und InDesign herunterladen. Hier wird sicht- und spürbar, dass Pantone sich eher als Hüter der Farben denn als Freund der technischen Produzenten sieht.

Mir gefällt jedenfalls, dass die Übernahme durch X-Rite Pantone gezwungen hat, sich endlich der alten Frage von Produzentenseite – wie eigentlich die Fächer produziert werden – anzunehmen und das Thema transparenter zu machen. Alleine das ist ein Gewinn.