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Farbmanagement 2020

Wenn Farbmanagement nicht griffiger und spielerischer nutzbar wird, tritt eine Situation ein, in der Designer nicht mehr in der Lage sind, gute Ergebnisse im Druck zu erzielen. Das wiederum wird am Ende dazu führen, dass „Druck“ marginalisiert wird: zu komplex, unzuverlässig – lassen wir.

Seit einigen Jahren geht die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Bezug auf das Thema Farbmanagement immer weiter auseinander. Das Kernproblem scheint zu sein, dass auf der Industrie- und Anbieterseite davon ausgegangen wird, dass Datenlieferanten freudestrahlend sauber farbgemanagete Produktionsdaten zur Verfügung stellen. Die Erzeugerseite wiederum betrachtet Farbmanagement als „Hochtechnologie“– womit sich ein Grafiker/Umsetzer demnach nicht ernstlich auseinandersetzen muss; schließlich sorgt am Ende der Produzent für die optimale Produktion. Schleichend entwickelt sich eine Situation, bei der die sich die wechselseitige Blauäugigkeit zu einem echten Problem auswächst.

Technisch funktioniert ICC-basiertes Farbmanagement seit vielen Jahren ziemlich gut. Es ist nur leider von mehreren Schichten „Unbedienbarkeit“ umhüllt. So stellt es sich jedenfalls aus der Sicht eines anwendenden Grafikers, Layouters, Umsetzers dar.

Worin besteht das Problem?

Technik

Datenerzeuger lernen wenig über Farbmanagement. Das liegt nicht unbedingt daran, dass es keine Angebote gäbe. Doch die Information, die zur Verfügung steht, driftet rasend schnell in selbstverliebte wissenschaftliche Betrachtungen ab. Das liegt Menschen, die Layouts oder Umsetzungen liefern sollen, arg fern der eigenen Kernkompetenzen. Zudem fehlen klare, verständliche Ansagen, weshalb Farbmanagement und seine Beherrschung essentiell ist: Um nämlich überhaupt zu wunschgemäß umsetzbaren oder visuell ansprechenden Bild- und Druckdaten zu kommen. Farbmanagement in Anwendungen ist aktuell überaus kompliziert, uneinheitlich, gespickt mit abweichenden Fachbegriffen für identische Dinge, zu denen man dann dutzende – sich zum Teil widersprechende Aussagen – findet.

Wissen

Anwender vermeiden die Beschäftigung mit dem Scheinriesen „Farbmanagement“, der aus der Ferne übermächtig groß wirkt. Steigt man in das Thema ein, werden seine Funktion und seine Möglichkeiten – nach einer recht steilen Lernkurve – allmählich besser nachvollziehbar und man lernt, die Vorteile zu nutzen: Aus dem Scheinriesen wird ein leidlich sympathischer Kollege, der gar nicht so abweisend ist, wie er zunächst wirkte.

Alltag

Bei der täglichen Umsetzungsarbeit am Computer treffen schließlich alle emotionalen und technischen Themen mit voller Wucht aufeinander. Dienstleister, die selbst keine klaren Vorgaben machen (können), weil sie sich selbst nicht mit Farbmanagement beschäftigen. Datenerzeuger, die unglaubliche Mühen auf sich nehmen, jegliches mit Farbmanagement im Zusammenhang stehende Setting zu vermeiden. Und, wie immer, ist es so, dass spärliches Halbwissen auf beiden Seiten am Ende ins Chaos – sprich: zu unansehnlichen Produkten – führt.

Warum ist das so?

Die technische Basis des heute im Einsatz befindlichen Farbmanagements ist, aus IT-Sicht, unvorstellbar alt. Und sie wurde von Menschen erdacht, die ein Problem lösen wollten. Es wurde nicht gemeinsam mit Designern und Anwendern entwickelt. Noch schlimmer: Farbmanagement hat keine „Lobby“. Alle damit verbundenen Themen können flink mit den Worten „komplex“, „unzuverlässig“, „esoterisch“ abgekanzelt werden. Aus der Sicht der Datenlieferanten stellt sich die Frage, weshalb sie sich mit diesem Thema auseinandersetzen sollten – wenn einfache Nachfragen beim Produzenten schon ergeben, dass die sich offenkundig auch nicht damit beschäftigen: „Machen Sie einfach CMYK. Ja, Profil 27. Wir machen den Rest.“

Ja, es gibt immer mehr Unternehmen, welche die Vorteile eines funktionierenden Farbmanagements erkannt haben und dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter fundiert damit umgehen können. Aber selbst dann bleibt ein Problem bestehen: Alle Tools und Settings sehen aus und fassen sich an wie 1995. Vergleichen Sie doch mal alle Dialoge, die Sie auf dem Weg von Photoshop bis Indesign korrekt handlen müssen, bis Sie eine druckfähige PDF in Händen halten mit dem, was in einer mittelbegabten Smartphone-App „verstanden“ werden muss, um sie intuitiv nutzen zu können. Und die Abläufe in den Apps und die ausgelösten Prozesse sind mitunter wesentlich komplexer als das, was Farbmanagement auf einem Desktoprechner leisten muss. Der Anwender merkt davon meist gar nichts. Man kann also kaum weniger für die Akzeptanz einer komplexen Technik tun als das seit Jahren im Bereich des Farbmanagement durchgezogen wird.

Weshalb eskaliert das Problem?

Große Softwareanbieter wie Adobe oder Quark verfolgen unterschiedliche Ansätze zum Handling des Farbmanagements. Quark handhabt die Farbumsetzung „offener“, was für den Anwender die Lernkurve noch steiler macht. Adobe hingegen trifft Vorgaben, die nicht zum Produktionsprozess in Europa passen – pinselt sie aber so an, als würden sie das tun. Das Ergebnis ist in beiden Fällen aus Sicht des Anwenders unbefriedigend und führt zu reduzierter Qualität. Was fatalerweise am Ende das Produkt „Print“ unattraktiv macht: zu komplex, unzuverlässig – lassen wir.

Es gibt zwar allerlei Hilfsangebote, die zum großen Teil auch – von der investierten Zeit abgesehen – kostenfrei verfügbar sind. Aber das beißt sich wiederum damit, dass das Thema massiv techniklastig ist und zudem widersprüchlich dokumentiert ist. Also beschäftigt sich der Datenerzeuger lieber gar nicht damit. Bisher funktionierte diese Haltung sogar leidlich.

Das „neue“ Problem sind aber die optischen Aufheller in modernen Bedruckstoffen

Losgelöst von all den sonstigen Themen muss man sich nur eins merken: 20% Cyan. Niemand kann 20% Cyan „wegignorieren“. Diese 20% Cyan werden visuelle Realität, wenn ich „alte Daten“ auf neue Substrate drucke ohne mich darum zu kümmern, wo sie herkommen und was nach der Datenlieferung passiert.

Wo kommen die 20% Cyan?
Quelle: Albin Baranauskas – TECHKON GmbH, PSO-Kongress 2016

Um das in den Griff zu bekommen, muss der Druckdatenmensch – egal, an welchem der beiden Enden des Prozesses er arbeitet – einen Weg finden, Farbinformation sauber handzuhaben. An dieser Stelle wäre ein leichter erfassbares Farbmanagement als Brücke zwischen Anwender und Dienstleister mehr als hilfreich. Aber das gibt es heute leider nicht.

Im Folgenden entwerfe ich eine Vision, wie Farbmanagement so nutzbar gemacht werden könnte, dass auch ein „Kreativarbeiter“ den Nutzen erkennt und spielerischer damit umgeht. Denn ich glaube, dass wir als Druckbranche an einem Punkt stehen, an dem die Situation zum Zerreißen gespannt ist.

Die Vision

Folgende Punkte müssen schlüssiger werden:

  1. Ausgabematerial: Einfache Identifikation und verlässliche ICC-Profilzuordnung mit automatischer Hintergrund-Installation fehlender Profile.
  2. Bildschirm-Arbeitsfarbraum: Nachvollziehbare, einfache Festlegung und Visualisierung, worin die Unterschiede zwischen sRGB/eciRGB/AdobeRGB bestehen.
  3. Zusammenhang Bildschirm/Ausgabematerial: Schlüssige Auswahl und vereinfachte Festlegung des geeigneten Rendering-Intents für den gewünschten Ausgabeweg (Digital, Offset, Proof).
  4. Monitorkalibration (Weißpunkt, Helligkeit, Gamma) passt sich automatisch der Einstellung aus 2. an und erfordert keine Nacharbeit durch den Benutzer.
  5. Hilfreiche, non-invasive Warnhinweise, falls Einstellungen getroffen werden, die problematisch werden können (Ampel-ähnlich). Sollte immer im Blick sein und damit Bewusstsein schaffen: Arbeits-RGB grün, Rendering grün, Kalibration grün, Ausgabe grün …

Wozu das führen sollte

ICC-Profile, Farbmanagement- und PDF-Erzeugungssettings könnten zentral an unabhängiger Stelle gelagert und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Keine Vielzahl von Quellen unterschiedlicher, für den Anwender nicht einschätzbarer Qualität und Aktualität. Einzelne Paarungen können dort erläutert bereitstehen – inkl. angebundener Community zur Klärung von Fragen.

Es könnten Datenblätter für Materialien per PDF (oder haptisch) versendet werden, die alle technische relevanten Informationen zur sicheren Produktion listen – nach vereinbartem, einheitlichen Standard mit dem Blickwinkel „Designer“ – und nicht, wie heute, mit Blickwinkel „Druckmaschine“. Datenblätter weisen klickbare URL auf, die sofort alle notwendigen Einstellungen am Rechner hinterlegt. Aufgebrachter QR-Code kann vor die Webcam gehalten werden und richtet gleichfalls direkt den Rechner entsprechend ein. Damit wird sofort erlebbar, was Farbmanagement leistet, es werden keine Detaileinstellungen übersehen und das Ergebnis ist reproduzierbar.

Ein zentrales Tool auf dem Rechner ist für Farbmanagement zuständig. Es kommuniziert mit jeglicher Anwendungssoftware und „übersetzt“ technische Begriffe und Prozesse in einfach verständliche Sprache und Optionen. Keine proprietären Settings und Abläufe mehr:

Mockup eines denkbaren Einstellungsdialogs.
… und das geht noch einfacher, noch grafischer. Man muss nur mal anfangen!

Künftig ist vollkommen egal, ob der Anwender regelmäßig mit 5 oder 5.000 Settings umgehen muss – er arbeitet stets mit aktuellen Vorgaben und bekommt Hinweise, wenn seine Daten nicht mehr passen und er nachsteuern muss – frei von Gängelung und kooperativ.

Anwendungen sichern in den Datei-Metadaten die allgemeingültige ID des Settings, mit dem sie bearbeitet wurden. So ist jederzeit und für alle nachvollziehbar, welche Grundannahmen der Datenerzeuger getroffen hatte.

Beginnend beim Monitorprofil bis hin zum optimalen PDF für den Produzenten wird der Ablauf transparent, nachvollziehbar und nachgeschaltete Dienstleister können kompetente Fragen stellen, falls Probleme offenkundig werden. Vermeidung von Dialogen wie:

„Was haben Sie gemacht?“
„Nichts.“
„Das kann nicht sein.“
„Das Programm taugt nichts.“

Womit der Anwender eigentlich gar nicht so falsch liegt.

Zu erzielendes Endergebnis: der Designer bekommt das „One-Click-Farbmanagement“ von dem er immer geträumt hat. Ohne Angst, etwas Unzureichendes zu liefern.

Die Ausgabe

Da während der Bearbeitung stets aktiv begleitet wird, was der Anwender tut, kann auch die PDF-Erzeugung vereinfacht werden. Es müssen nicht mehr unübersichtlich viele Detaileinstellungen und Ersteinrichtungen durchgearbeitet werden – Basis der PDF-Erzeugung sind im Hintergrund stets – zumindest für den Print-Bereich – aktuelle PDFXready-Settings. Dabei ist unerheblich, ob für Freigabe-PDFs herunter-/neuberechnet oder für 1:10-Daten die volle Bildinformation mit „exotischem“ Ausgabeintent ins PDF geschrieben wird.

Das End’ vom Lied

Wenn Farbmanagement nicht griffiger und spielerischer nutzbar wird, tritt eine Situation ein, in der Designer nicht mehr in der Lage sind, gute Ergebnisse im Druck zu erzielen. Das wiederum wird am Ende dazu führen, dass „Druck“ marginalisiert wird: zu komplex, unzuverlässig – lassen wir.

Tun wir was dagegen!