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Farewell, Apple

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Ich bin langsam und loyal. Wäre ich beides nicht, hätte ich bereits nach dem ersten deutlichen Signal von Apple im Jahr 2010, dass man keine professionellen Kunden mehr haben möchte, begonnen, mich von der Plattform zu verabschieden. Einer Plattform, deren begeisterter Nutzer und Kunde ich nun seit fast 20 Jahren bin.

Was geschah im November 2010? Damals sickerte durch, dass das Unternehmen keine Server für IT-Schränke mehr anbieten wird. Vorlaufzeit für Kunden um letzte Bestellungen zu tätigen: zwei Monate. Wer weiß, wie langsam Entscheidungen in diesem Umfeld getroffen werden, kann einschätzen, was für ein Affront dieser lächerlich kurze Zeitraum gegenüber Unternehmenskunden war. Es war just in dieser Zeit, als das Unternehmen, in dem ich arbeitete, seinen Kunden Serverlösungen auf Basis von MacOSX verkaufte. Wir starrten uns an wie kleine Kälber auf dem Weg in den Schlachter-Lkw.

Das Selbstbewusstsein, ein gut zahlendes und loyales Kundensegment einfach vor den Kopf zu stoßen und abzusägen, hätte ich Apple bis zum 5. November nicht zugetraut. In der Zeit danach begann ich aufzuzeichnen, welche Entwicklungen an den Produkten ablesbar machen könnten, wo Apple seine Zukunft sieht – und genauer zu beobachten, ob sich diese Ziele mit meinen privaten und beruflichen noch decken. Dabei kam folgende Liste heraus, die eine bunte Mischung aus emotionalen und technischen Themen darstellt, die mich immer weiter von Apple entfernt haben:

2009 Unibody-Gehäuse bei den Mobilgeräten erschweren Erweiterungen und Akku-Tausch.
2011 Apple stellt FinalCutX vor – und bietet keinen Upgradepfad für FinalCut-Bestandskunden an. Diverse Teilapplikationen aus FinalCutStudio werden kommentarlos eingestellt oder müssen einzeln nachgekauft werden.
Apple drängt immer massiver darauf, dass Kunden zu ihrer AppleID Kreditkartendaten hinterlegen. Es wird im Laufe der folgenden Monate immer schwerer, eine AppleID ohne eine Vielzahl persönlicher Daten und Zahlungsinformationen zu bekommen. Für Softwarebezüge von Apple und zur Aktivierung von Geräten ist sie aber zwingend erforderlich.
Einstellung der XServe-Serie.
2012 Einführung von iMac und Retina-Laptops mit verlötetem, nicht erweiterbaren Arbeitsspeicher. MBP 13“ wird – trotz exorbitant hoher Bildschirmauflösung – nur mit Chipsatz-Grafikkarte ausgestattet. „Professionell“ ist anders.
Fragen werden laut, warum Apple den MacPro nicht auf den aktuellen technischen Stand bringt.
Apple erhöht über Nacht die Preise aller Produkte im AppStore um 10% – Entwickler sehen sich gezwungen, sich deshalb bei ihren Kunden zu entschuldigen, sind aber schuldlos.
Es wird bekannt, dass Apple außerhalb der USA weniger als 2% Steuern bezahlt.
Eddy Cue, bei Apple (USA) für Internet-Dienste und -software zuständig, wird in den Aufsichtsrat von Ferrari (IT) berufen. Der Mann muss ja Zeit haben.
Der SPIEGEL berichtet über die frühkapitalistischen Arbeitsbedingungen in deutschen AppleStores. Interessanterweise taucht dieser Artikel niemals in der Onlineausgabe des SPIEGEL auf.
Apple zwingt User zum Hinterlegen von Sicherheitsinfos bei ihrer AppleID.
MacOSX.8 „Mountain Lion“ kommt auf den Markt. Apple entscheidet, dass Geräte von 2010 zu alt sind, um damit Video auf ein AppleTV zu streamen. Mit diesem Upgrade entfällt auch die RSS-Unterstützung in Safari und Mail.
2013 Offenbar überwacht Apple systematisch und heimlich seine Mitarbeiter – auch in deutschen AppleStores. Zur Einordnung: das verstößt gegen deutsches Recht.
Es wird bekannt, dass Apple ab März 2013 keine MacPros in der EU mehr verkauft (oder verkaufen darf). Apple stellt weder Abhilfe in Aussicht noch erklärt das Unternehmen, warum die Geräte nicht mehr verkauft werden dürfen.
Apple entscheidet über den Kopf des Anwenders hinweg, dass er Adobe Flash upzudaten hat.
Das Retina-MacBookPro 15“ kommt auf den Markt. Es wird das erste „Pro“-Gerät, bei dem die spiegelnde Glasscheibe vor dem Display nicht „wegkonfiguriert“ werden kann. Damit sind diese Geräte für mich unbrauchbar.
Apple wendet sich an den Kapitalmarkt, um Geld aufzunehmen, das anschließend an die Aktionäre ausgeschüttet werden soll. Da die 145 Milliarden Dollar Barreserve des Unternehmens auf sonnigen Inseln lagern, müsste Apple Steuern zahlen, wenn sie dieses Geld „nach Hause“ holen würden. Der Bezug über den Kapitalmarkt ist also billiger, als das vorhandene Geld zu benutzen und die Staaten, deren Einwohner Apple-Produkte kaufen, mit Steuereinnahmen zu versorgen.
Der CEO von Apple, Tim Cook, wird vor den US-Senat zitiert und muss dort die Steueroptimierungen des Unternehmens erläutern. Dabei erklärt er, dass die USA ihre Steuersätze reduzieren sollen; dann würde man das Geld ins Land holen. Das wirtschaftliche Konzept hinter einer funktionierenden Demokratie scheint Mr Cook nicht geläufig zu sein.
Auf der WWDC kündigt Apple an, irgendwann einen neuen MacPro zu liefern, der zwar als performanter Arbeitsplatzrechner – aber nicht als Server – genutzt werden kann.

2013 ist das Jahr in dem mir endgültig klar wurde, dass Apple mich als Kunden nicht mehr haben möchte. Es ist das Jahr, in dem der Tim-Cook-MacPro auf den Markt kam, vor dem ich schon 2012 Angst hatte.

Apple, ich brauche wahrlich professionelle, leistungsfähige Geräte zu einem marktüblichen (!) Preis. Bei euch bekomme ich nur noch überteuerte Designer-Wegwerfware – ich kann nichts aufrüsten oder reparieren.

Apple, ich brauche vollständige Transparenz über meine Daten – im beruflichen Umfeld schon aus rechtlichen Gründen! Ich will nicht in eurer arschlahmen iCloud unterwegs sein und meinem Datenschützer erklären müssen, dass ich leider nicht so genau weiß, wo meine Daten liegen und wer sie alles mitlesen kann.

In den nächsten Wochen werde ich mich intensiv mit zwei Welten beschäftigen und mich entscheiden, welche davon ich künftig privat und beruflich nutzen möchte. Aus dem Bauch heraus denke ich, dass ich im Büro wahrscheinlich auf Windows wechseln werde und privat auf Linux. Im beruflichen Umfeld kann ich noch nicht auf Adobe und Microsoft verzichten. Privat wird mir das eher gelingen.

Die Festplatte meines MacBookPro ist frisch partitioniert. Mein altes Leben liegt auf der Mac-Partition. Der Linux-Installer läuft gerade auf der neuen Partition.

Farewell, Apple. Du hast meine Loyalität restlos verzehrt.